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Reifenberg in Postkartengröße

Die älteste Fotografie von Ober­reifenberg
1867: Die älteste Photographie von Ober­reifenberg unbekannt

Der Hochtaunus vor 150 Jahren

1868 gründete der Frank­furter Verleger August Raven­stein im „Alten Feld­berghaus“ die erste deutsche Touristen-Vereinigung, den „Bund der Feld­berg­läufer“. Der Verein nannte sich jedoch bald „Taunus­klub“ und sah sich nicht nur als Wander­verein, sondern seine Mitglieder bauten auf vielen Berg­gipfeln Aus­sichts­türme, errichteten Schutz­hütten, legten Wege an und markierten sie.

Als besonders wichtig erwiesen sich die sozialen Dienste des neuen Klubs. Man versorgte not­leidende Menschen im Hoch- und Hinter­taunus mit Kar­toffeln und Saat­gut, man instal­lierte eine Korb­flech­ter­schule in Gräven­wiesbach, und die Lehrerin Emilie Seipp aus Frank­furt lehrte Frauen aus Ober- und Nieder­reifenberg und Arnolds­hain die Filet-Kunst.

Im Jahr 1883 erschien unter dem Titel „Fünf Dorf­gemeinden auf dem Hohen Taunus“ eine sozial­statis­tische Unter­suchung über Klein­bauern­tum, Haus­industrie und Volks­leben. Die Arbeit ist eine Disser­tation des Frank­furter Privat­gelehrten Gottlieb Schnapper-Arndt. Mit großem Fleiß hat er Material über die Verhält­nisse in den Ort­schaf­ten Ober- und Nieder­reifen­berg, Arnolds­hain, Schmitten und Seelen­berg gesammelt und aus­gewer­tet. Auf 200 Sei­ten erhält man ein genaues Bild vom Leben und Schaffen der Hoch­taunus­bauern, der Heimar­beiter und der Nagel- und Nadel­schmiede. Die Angaben bezie­hen sich meist auf das Jahr 1880 oder 1881.

Die Fläche des unter­suchten Gebietes war aufgeteilt in 14% Acker­land (die Hälfte davon Kar­tof­feln), 16% Wie­sen, 1% Wei­de­land und 66% Wald, die restlichen 3% das Dorf.

Schuhnägel

1870 gab es im Kreis Usingen, zu dem da­mals auch die Hoch­tau­nus­dör­fer ge­hör­ten, 291 Na­gel­schmie­de­meister und Gesel­len. Zur Her­stel­lung eines Schuh­nagels wa­ren 25 Schlä­ge mit ei­nem zwei Pfund schweren Ham­mer nötig.

2.500 Stück sind das Tages­mittel für einen Arbeiter. Morgens um 5:00 Uhr wurde mit der Arbeit begonnen, von 8:00 - 9:00 Uhr war Früh­stücks­pause, von 12:00 - 13:00 Uhr Mittags­pause, und dann ging es bis abends 19:00 Uhr weiter. Ein Geselle verdiente etwa 1,45 Mark am Tag.

1878 waren von 200 weib­lichen Ein­wohnern über 14 Jahren in Arnolds­hain 101 mit Filet­arbeiten beschäf­tigt. 55 Pfennige war das Tages­maximum für eine sehr an­stren­gende Tätig­keit, die oft bis in die Nacht ging.

In Nieder­reifen­berg waren 1876 von 65 Kindern über neun Jahren 58, von 60 Kindern zwischen sechs und neun Jahren 34 mit dieser Arbeit beschäf­tigt (neben dem Schul­unter­richt). In Schmitten ver­dienten die 53 beschäf­tigten Kinder zwischen sechs und zehn Jahren bei sechs- bis sieben­stündiger Arbeits­zeit durch­schnitt­lich 14 Pfen­nige.

In Ar­nolds­hain gab es 109 Häuser für 698 Ein­wohner, 540 Per­sonen schlie­fen und wohn­ten in Woh­nun­gen, die nur aus EINEM Raum bestan­den. 394 Men­schen hatten zu fünft einen Raum zum Schlafen und Wohnen. 4,20 Meter auf 4,80 Meter galt schon als ein selten großer Raum. Gott­lieb Schnap­per-Arndt sagte, die meis­ten Häuser des Hoch­taunus seien „Ein­raum­häuser“. Oft waren es Dop­pel­ein­raum­häuser, man er­spar­te sich eine Wand.

Aus dem Jah­res­bericht des Taunus­klubs von 1895 geht hervor, dass der Klub 33 Orten im Tau­nus mit Sach­spen­den hel­fen muss­te, mit Speise- und Saat­kar­tof­feln, Gerste, Fett, Brot, Erb­sen, Lin­sen und Reis. Aber auch mit Bar­geld zum Ankauf von Zie­gen, Bett­zeug, zum Be­glei­chen von Miet­schul­den und vielen an­de­ren Din­gen half der Klub.

Die älteste Fotografie von Ober­reifenberg
1910: Burg Reifenberg Mein Archiv
In der Mitte das Doppel-Einraumhaus Meister-Sturm
1912: Man sieht auf der linken Bild­hälfte, unterhalb des runden Turms, ein Doppel-Ein­raum­haus mit einem kleinen Anbau. Die rechte Hälfte des Hauses gehörte der Familie Wil­helm Meister (1872 - 1922) und Apol­lonia Meister, geb. Sturm (1873 - 1950). 50 Nach­kommen der beiden leben heute in den USA. Die linke Hälfte des Hauses bewohnten Apol­lonias Bruder Paul (1884 - 1946) und Dinchen Sturm, geb. Kärtner. Mein Archiv
Aquarell Georg Rotgeb
Georg Rothgeb hat 1891 in seinem Aquarell die beiden Haushälften deutlich getrennt: blaues Dach - rotes Dach Mein Archiv
Frank­furter Hof der Familie Usinger
1929: Frank­furter Hof der Familie Usinger Ulrike Bechtoldt
Kirche und Schloss Reifenberg
1930: Kirche und Burg Rei­fen­berg Ulrike Bechtoldt
Schülerheim des Goethe-Gymnasiums
1929: Das jetzige Schülerheim des Goethe-Gymnasiums war bis Anfang der 20er Jahre eine Gaststätte. Mein Archiv
Schülerheim des Schiller-Gymnasiums
1930: Das frühere Schülerheim des Schiller-Gymnasiums war danach eine Zahnarztpraxis. Mein Archiv
Ober- und Niederreifenberg
1939: Ober- und Niederreifenberg Ulrike Bechtoldt
Niederreifenberg
Niederreifenberg Mein Archiv
Ober­reifenberg und Feld­bergturm
1939: Ober­reifenberg und der Feld­bergturm im Bau­haus­stil. Der Turm über­stand nur sieben Jahre des „Tausend­jäh­rigen Reiches“. Ulrike Bechtoldt
Schnee
1953: Es gab reichlich Schnee. Man konnte Winter­sport in allen Dis­ziplinen be­treiben. 1956 wurde sogar die Deutsche Vierer­bob­meister­schaft ausge­tragen. Ursula Großmann
Haus Reifenberg und Burg-Ruine
1955: Haus Reifenberg und Burg-Ruine Ulrike Bechtoldt
Reifenberg und Seelenberg
1955: Reifenberg und Seelenberg Ulrike Bechtoldt
Reifenberg von Feld­berg aus
2008: Burg Reifenberg in der Ferne Eigenes Foto
Reifenberg von Feld­berg aus
2008: Burg Reifen­berg vom Feld­berg aus Eigenes Foto
Reifenberg von dem Brunhildisfelsen aus
2008: Man erkennt die Frostgrenze. Eigenes Foto
Reifenberg vom Feld­berg aus
2013: Reifenberg und Seelen­berg vom Brun­hildis­felsen aus - ein Idyll Eigenes Foto
Reifenberg vom Feld­berg aus
2022: Reifenberg und Seelen­berg vom Brun­hildis­felsen aus Eigenes Foto
Burg Reifenberg im Frühling 2018
Burg Reifenberg im Frühling 2018 Eigenes Foto

Heute, 2023, hat Reifenberg 3.700 Einwohner. Es liegt zwi­schen 534 und 770 Me­ter über Meeres­höhe (müM) und ist damit der höchst­gelegene Ort im Taunus.

Vier weitere Hoch­taunus­dörfer liegen über 500 m Meeres­höhe: Seelen­berg 584 müM (566 Einwohner), Treis­berg 535 müM (151 Einwohner), Glas­hütten 507 müM (1500 Einwohner) und Arnolds­hain 504 müM (2050 Einwohner).

Wer aber etwas über Reifen­bergs Ritter­tum und mehr über die 1.000-jährige Ge­schichte von Ober- und Niederreifenberg erfah­ren möchte, den verweise ich auf Bernhard Kärtners Inter­net­seite Philipp Ludwigs Erben, „Reifenberger Chroonigg“ (Chronik). Sie befindet sich zur Zeit (September 2023) im Umbau.